Der Schiefe Turm ist eine mittelalterliche Befestigungsanlage, die ihren Namen einer auffälligen Abweichung vom Lot zu verdanken hat. Eine der Legenden besagt, der Turm sei von einem der Thorner Kreuzritter erbaut worden, der sich gegen die Ordensregel in die wunderschöne Tochter eines reichen Thorner Kaufmanns verliebt hat. Die Buße für die Verletzung des Keuschheitsgelübdes sollte die Errichtung des Schiefen Turms gewesen sein, welcher dadurch zum Symbol des Verstoßes gegen die strenge Ordensregel wurde.
Heute wird noch gesagt, dass diejenigen, deren Sünden schwerer wiegen als jene des Kreuzritters, niemals im Stande seien, gegen den Turm stehend das Gleichgewicht zu halten. Dagegen können diejenigen, welche Redlichkeit, Treue und Ehrlichkeit hochhalten, ihren Rücken an die Turmwand lehnen und fallen dabei nicht um. Dieser "Redlichkeitstest" ist ein traditioneller Pflichtpunkt für jeden Besucher Thorns, der sich den Turm anschaut.
Der Schiefe Turm wurde im 14. Jahrhundert als eine unter mehreren ähnlichen Basteien an der Wehrmauer der Stadt errichtet. Seine Neigung ist höchstwahrscheinlich durch die Absenkung des Sandbodens verursacht. Es gab in der Geschichte aber auch eine Theorie, die besagt, dass die Neigung des Turms eine Strafe Gottes für die angeblich lästerhafte Entdeckung Kopernikus sei. Dieser These hat man selbst in Rom Glauben geschenkt und es war ein ernsthaftes Argument dafür, das Werk des Thorner Astronomen in das Verzeichnis der verbotenen Bücher aufzunehmen.
Anfänglich bestand die Bastei nur aus drei Außenwänden, was den Verteidigern ermöglichte, in ihr oberstes Geschoss Munition und heiße Flüssigkeiten zu transportieren, womit sie Feindangriffe abwehrten. Im Laufe der Entwicklung der Artillerie sank die Verteidigungsbedeutung des Turms; Schon im 18. Jahrhundert war dort ein Gefängnis untergebracht. Einem der Häftlinge ist es gelungen, durch die Öffnung der mittelalterlichen Toilette, welche von außen an den Turm grenzte, aus der Bastei zu fliehen. Der Schiefe Turm beherbergte im Laufe der Geschichte auch Wohnungen, Büros und Restaurants.
Beiderseits an die Bastei grenzen mittelalterliche Stadtmauern an, mit einem hölzernen Vorbau, der es den Verteidigern ermöglichte, sich die ganze Verteidigungslinie entlang frei zu bewegen und den Feind zu beschießen. Seitens des Festlands war Thorn noch mit einem äußeren Mauerring umgeben, hinter dem sich ein Wassergraben befand. Die Stadt behüteten Wehrtore, an denen schwer eroberbare Barbakanen standen. Diese Befestigungen wurden größtenteils erst Ende des 19. Jahrhunderts niedergerissen, noch bis heute sind aber zahlreiche mittelalterliche Wehranlagen erhalten geblieben, wie z.B. die Stadtmauer seitens der Weichsel und einige Basteien in der Podmurna- und Strumykowa-Straße, der ehemaligen Grenze zwischen der Thorner Alt- und Neustadt.