Das im Mittelalter gebaute Segeltor, dessen aktuelle Form das Ergebnis eines grundsätzlichen Umbaus im 19. Jahrhundert ist, öffnet sich einerseits zum Hafen und andererseits zur Straße, welche zur Pfarrkirche und zum Altstädtischen Markt führt. Es war einst der bedeutendste Eingang zur Stadt. Hier wurden zum Läuten der großen Glocke Tuba Dei polnische Könige beim Betreten der Stadt feierlich begrüßt.
Die herrschenden Bürgermeister überreichten ihnen anschließend die Schlüssel zu den städtischen Toren und luden sie in die königlichen Gemächer im Rathaus ein. Diese Tradition trug dazu bei, dass die Segelstraße, die an diesem Tor ihren Anfang hat, auch als Königsweg bezeichnet wurde. Es war die breiteste Straße in der ganzen Thorner Altstadt und laut alten Überlieferungen wurden hier bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die ersten gemauerten Häuser in Thorn errichtet. Zahlreiche dieser alten Mietshäuser, die von den prominentesten Bürgern und Adligen bewohnt waren, blieben zum Glück von der Zeit verschont und erfreuen noch heute das Auge der Passanten.
Es lohnt sich, in der Gegend des Segeltors etwas länger zu verweilen, da innerhalb der Stadtmauer nur von hier aus die historische Uhr aus dem 15. Jahrhundert, die zur Weichsel hin an den Turm der Johannis-Kirche gehängt wurde, zu erblicken ist. Ihr bemaltes und vergoldetes Zifferblatt bietet einen hervorragenden Hintergrund für die mit einer Hand dargestellten Uhrzeiger. Seit mehreren hunderten von Jahren zeigt diese Hand mithilfe zweier Finger die verstreichenden Stunden. Traditionell trägt die Uhr den Namen „Flößeruhr“, da sie so auf dem Turm angebracht wurde, dass sie den Seglern und Holzflößern auf der Weichsel und den Menschen, die in dem einst pulsierenden Hafen hinter dem Tor bei der Arbeit hantierten, gut dienen konnte.
In der mittelalterlichen Stadt Thorn legten am Hafenufer sogar Hochseeschiffe an und die lokalen und ausländischen Kaufleute konnten mit Kupfer, Tuchen, Getreide, Salz und Walderzeugnissen Handel betreiben. Mannigfaltige Waren, umgeladen mithilfe eines einst am Weichselufer stehenden Hafenkrans, brachen von hier aus in die weite Welt auf: nach Flandern, England, Norddeutschland oder Schweden. Der Thorner Hafen verlor schon im 15. Jahrhundert im Wege der Veränderungen des Handelswegeverlaufs und der zunehmenden Rolle der Stadt Danzig aber allmählich seine Bedeutung. Thorn war jedoch weiterhin eine wichtige Haltestelle für auf der Weichsel fahrende Flößer. Noch von hundert Jahren hielten hier ihre Flöße an, und für das von ihnen transportierte Holz wurde ein paar Kilometer von der Stadt entfernt sogar ein Holzhafen errichtet. Seit der Auflösung des Hafens in der Nachkriegszeit legen am Thorner Ufer lediglich Schiffe und Boote, die den Touristen die Stadt von der Wasserperspektive zeigen, an.